Preis: 10,00 € 26. BIS 29. MAI 2023 MUSIK VOM MITTELALTER BIS ZUR KLASSIK KONZERTE AN HISTORISCHEN STÄTTEN Regensburger Domspatzen L’arpa festante (Deutschland) Contrapunctus (Großbritannien) The Royal Wind Music (Niederlande) Les Passions de l’Âme (Schweiz) Oslo Circles (Norwegen)/ David Hansen (Australien) Hathor Consort (Belgien) Pluto-Ensemble (Belgien) Oltremontano Antwerpen (Belgien) Holland Baroque (Niederlande) In Echo (Großbritannien) Lucile Boulanger & Pierre Gallon (Frankreich) Alia Mens (Frankreich) Compagnia di Punto (Deutschland) Barokksolistene (Norwegen) Dialogos & Kantaduri (Frankreich/ Kroatien) La Rêveuse (Frankreich) Ludus Instrumentalis (Deutschland) {oh!} Orkiestra (Polen) Verkaufsausstellung von Nachbauten historischer Musikinstrumente, von Noten, Büchern und CDs „Zwischen Stimmungen und Mysterien: Die ‚Rosenkranzsonaten‘ von H. I. F. Biber“, Tagung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Mai 2023 Inhalt Grußworte 5 Konzert 1 Regensburger Domspatzen & L’arpa festante 6 Konzert 2 Contrapunctus 14 Konzert 3 The Royal Wind Music 18 Konzert 4 Les Passions de l’Âme 24 Konzert 5 Oslo Circles 32 Konzert 6 Hathor Consort – Pluto Ensemble – Oltremontano Antwerpen 38 Konzert 7 Holland Baroque 46 Konzert 8 In Echo 52 Konzert 9 Lucile Boulanger & Pierre Gallon 58 Konzert 10 Alia Mens 66 Konzert 11 Compagnia di Punto 72 Konzert 12 Barokksolistene 78 Konzert 13 Dialogos & Kantaduri 86 Konzert 14 La Rêveuse 92 Konzert 15 Ludus Instrumentalis 98 Konzert 16 {oh!} Orkiestra 104 Terminübersicht der Rundfunkübertragungen 36 Interdisziplinäre Tagung – „Zwischen Stimmungen und Mysterien: Die ‚Rosenkranzsonaten‘ von H.I.F.Biber” 111 Konzerteinführungen 113 Diskografie 114 Kurstag 117 Festivallokal 119 Ausstellung 120 Konzertorte / Veranstaltungsorte 124 Dank 130 Stadtplan 131 Zeittafel 132 3
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Grußworte Grußworte Ein neues Jahr, eine neue Ausgabe der „Tage Alter Musik“ und gleich zwei neue Spielorte für das renommierte Internationale Festival. Zum 38. Mal gastiert die Konzertreihe in Regensburg und gehört auch für mich zu den Highlights im Regensburger Veranstaltungskalender. Die ehemalige Dompfarrkirche St. ulrich, eines der ältesten Bauwerke der Gotik in Deutschland, und die um 1150 am Ende der Romanik errichtete und im 17. Jahrhundert barockisierte niedermünsterkirche vervollständigen dieses Jahr die Spielstätten. Als Auftakt der Musikreihe beschäftigt sich am 26. Mai 2023 eine interdisziplinäre Tagung mit den Rosenkranzsonaten von H.I.F. Biber, der zu Lebzeiten als einer der größten Violinisten im deutschsprachigen Raum angesehen wurde. Ich freue mich, wenn in Regensburg vom 26. bis 29. Mai wieder Musik der besonderen Art erklingt. Mit 16 Konzerten bietet das Festival für jeden Musikliebhaber etwas. Wir werden musikalische Höhepunkte mit Musikern aus zehn Ländern erleben dürfen. Bereits traditionell eröffnen die Regensburger Domspatzen die Musiktage. Zum ersten Mal werden sie jedoch vom Barockorchester L’arpa festante begleitet, wenn die beiden Werke von Johann Sebastian Bach angestimmt werden: Das Osteroratorium „Kommt, eilet und laufet“ BWV 249 und das Himmelfahrtsoratorium „Lobet Gott in seinen Reichen“ BWV 11. Das Besondere an den Tagen der Alten Musik ist die Verbindung zwischen Musikerlebnis, Ausstellung und wissenschaftlicher Begleitung. So konnten auch heuer wieder für zwei Konzerte Einführungsveranstaltungen durch das Institut für Musikwissenschaft der universität Regensburg organisiert werden. Vielen Dank dafür! Als Abschluss und sozusagen Extra-Vorstellung können Musikinteressierte an der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik einen Kurstag „Alte Musik“ belegen. Die über 1.000 Quadratmeter große internationale Verkaufsausstellung im historischen Salzstadel an der Steinernen Brücke ist für die ganze Familie ein spannender Ort. Hier können sich die Besucher nachbauten historischer Musikinstrumente ansehen, noten und CDs erwerben und sich mit anderen Musikbegeisterten austauschen und ihre neugierde befriedigen. Aussteller aus zehn Ländern sind an historischer Stätte im Salzstadel und ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen. Mein besonderer Dank gilt den Veranstaltern, den Organisatoren und natürlich auch allen Mitwirkenden, die seit vielen Monaten schon in die Planung des diesjährigen Festivals mit Tagung und Ausstellung einbezogen sind. Tauchen Sie ein in die spannende Geschichte der Musik und genießen Sie dieses außergewöhnliche Festival in unserem schönen Regensburg. Ich kann mir keinen besseren Ort für ein solches Musikfest vorstellen. Gertrud Maltz-Schwarzfischer Oberbürgermeisterin der Stadt Regensburg Als ich kurz nach der Jahrtausendwende von Bremen nach Bayern umzog, fühlte ich mich als Liebhaberin der Alten Musik zunächst ein wenig verwaist. Vorher war ich verwöhnt, denn meine norddeutsche Heimatstadt hatte auf diesem Gebiet früh eine Pionierrolle übernommen: mit der legendären „musica antiqua“-Reihe von Radio Bremen seit den Sechzigerjahren, mit der 1986 gegründeten Ausbildungsstätte „Akademie für Alte Musik“, die dann ein Hochschulinstitut wurde, und mit häufigen Aufführungen in historisch informierter Praxis. Wie sich bald herausstellte, endete das DiasporaGefühl eineinhalb Zugstunden nordöstlich von München: Dort lag das Paradies. nie werde ich vergessen, wie ich zum ersten Mal als Kritikerin der Süddeutschen Zeitung zu den „Tagen Alter Musik“ entsandt wurde, an einem strahlenden Pfingstsamstag, als Regensburg ganz italienisch anmutete, und wie ich die Kombination aus belebten Baudenkmälern, exquisiten Konzertereignissen und beglückten Zuhörerströmen als veritablen Rausch erlebte. Den ich mir seitdem regelmäßig gönnen durfte und der zu den schönsten wiederkehrenden Erfahrungen meines Lebens zählt. Das Wort „wiederkehrend“ hat hier einen Doppelsinn. Es bezeichnet auch eine Fähigkeit dieses Festivals, die mir im Laufe der Jahre immer wundersamer erschien: So zu bleiben, wie es von Anfang an gedacht war. unser ökonomisches System suggeriert uns, dass alles sich ständig verändern muss, das heißt: größer, schneller, glamouröser und profitabler werden, um auf dem allmächtigen „Markt“ zu überdauern. Mit den problematischen Folgen solchen Denkens sind wir gegenwärtig auf vielen Ebenen konfrontiert, nicht zuletzt in kostbaren alten Städten wie Regensburg. Die „Tage Alter Musik“ aber entziehen sich dieser Logik seit fast vier Jahrzehnten, und die Zeit scheint spurlos an ihnen vorübergegangen zu sein. Das konnte nur gelingen, weil Gewinnstreben und Geltungsdrang, die stärksten Motoren unserer Epoche, den Gründern, Machern und Mitarbeitern des Festivals gänzlich fremd sind. Ihr Antrieb war und ist allein die Leidenschaft für ein musikalisches Territorium, das einen unerschöpflichen Vorrat an Entdeckungen bereithält und dessen Faszination ungebrochen bleibt, für nachwachsende Musikergenerationen ebenso wie für ein stetig sich erneuerndes Publikum. Dinge, die anderswo längst verloren gingen, sind hier das Fundament: Brillanz ohne Starkult, Kunstverstand ohne Eitelkeiten, Sorgfalt ohne Kompromisse, Freundlichkeit ohne Kalkül. und internationale Begegnungen, die mehr mit Weltbürgertum als mit Globalisierung zu tun haben. Insofern kommen die „Tage Alter Musik Regensburg“ einer verwirklichten utopie sehr nahe. Es gilt, sie in genau dieser Form zu erhalten. nicht als Denkmal, sondern als lebendiges Modell für Zukunftsprojekte jeglicher Art. Kristina Maidt-Zinke Freie Literatur- und Musikkritikerin Regensburg ist eine Stadt zum Staunen. unter den vielen Schätzen, die die bayerische Landkarte zu bieten hat, gehört die 2000-jährige Domstadt unbestritten zum Eindrucksvollsten. In den mittelalterlichen Gassen weht noch immer der lebendige und weltoffene Geist der einstigen Donaumetropole. Der ist besonders dann zu spüren, wenn sich an Pfingsten alljährlich die Liebhaber des Originalklangs in Regensburg einfinden, um die Tage Alter Musik zu besuchen. Das Regensburger Musikfest zählt schon seit Jahrzehnten zu den weltweit bedeutendsten Festivals für historische Aufführungspraxis. Wer hier spielt, gehört entweder schon zu den Stars der Szene oder ist gerade auf demWeg zu einer großen Karriere in der Alten Musik. Für die Musikerinnen und Musiker, die den Weg nach Regensburg finden, liegt der besondere Reiz dieses Festivals in der einzigartigen Symbiose von Originalklang und historischem Spielort. Denn hier können sie ihre Musik in den geschichtsträchtigen Gemäuern der Regensburger Altstadt erklingen lassen. und die Festivalbesucherinnen und -besucher können in Regensburg immer unbekanntes entdecken: Einst gefeierte und später zu unrecht vergessene Werke, die zwischenzeitlich unbeachtet in Regalen von Bibliotheken und Archiven schlummerten, werden hier wieder zum Klingen gebracht. Zudem hat sich das Regensburger Festival ganz dem interkulturellen Austausch verpflichtet. So reisen auch in diesem Jahr Künstlerinnen und Künstler aus den verschiedensten Regionen Europas an, um ihre Interpretationen alter Meisterwerke zu Gehör zu bringen. Konzertbesucherinnen und -besucher können dann in vergangene Zeiten eintauchen, wenn die authentischen Klänge der Alten Musik die Kirchenschiffe durchfluten. Den Veranstaltern, den Förderern und allen, die zum Gelingen der Tage Alter Musik beitragen, gilt mein herzlicher Dank! Ich freue mich außerordentlich, dass auch der Freistaat seinen Beitrag dazu leisten kann, indem er dieses einzigartige Festival seit vielen Jahren finanziell unterstützt. Allen Beteiligten und allen Besucherinnen und Besuchern wünsche ich viel Freude beim Eintauchen in historische Kulissen und Klänge bei den Tagen Alter Musik! Markus Blume Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst © StMWK/Böttche 5
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Mai 2023 Die weltbekannten regensburger Domspatzen sind der wahrscheinlich älteste Knabenchor überhaupt. Vor über 1000 Jahren, im Jahr 975, gründete Bischof Wolfgang eine eigene Domschule, die neben dem allgemeinbildenden unterricht besonderen Wert auf die musikalische Ausbildung legte. Den Schülern war der liturgische Gesang in der Bischofskirche übertragen. Bis heute liegt die Hauptaufgabe der Regensburger Domspatzen in der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste im Regensburger Dom. Während der Schulzeit und an den Hochfesten der Kirche singen sie dort jeden Sonntag. neben dem Chor des Domkapellmeisters gibt es zwei weitere Chöre mit je eigenen Chorleitern und seit dem Schuljahr 2022/23 auch einen Mädchenchor, der großen Anklang findet. Das umfangreiche musikalische Repertoire der Domspatzen reicht von den ältesten Gesängen der Kirche, dem Gregorianischen Choral, über die Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts regensburger Domspatzen L’arpa festante Katja Stuber Sopran Anne Bierwirth Alt Michael Mogl Tenor Christof Hartkopf Bass Christian Heiß Leitung Freitag, 26. Mai 2023, 20.00 Uhr Dreieinigkeitskirche Am Ölberg 1 Johann Sebastian Bach (1685-1750): osteroratorium – Himmelfahrtsoratorium „Kommt, eilet und laufet“ BWV 249, „Lobet Gott in seinen Reichen“ BWV 11 Regensburger Domspatzen Foto: Hanno Meier Christian Heiß, Domkapellmeister Foto: Michael Vogl 6
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Konzert 1 (mit Werken von Palestrina, di Lasso und Hassler), den Barock und die Romantik bis hin zum Volkslied und Werken zeitgenössischer Komponisten. Im Januar 2023 erschien nach Jahren wieder eine CDAufnahme mit den Regensburger Domspatzen. Die erste CD-Aufnahme mit dem Titel „Erschaffen“ unter der Leitung von Domkapellmeister Christian Heiß erschien beim Label Spektral. Seit September 2019 bekleidet Christian Heiß das Amt des Domkapellmeisters in Regensburg. Heiß war selber Domspatz. Er absolvierte nach dem Abitur das Studium der Kirchenmusik mit dem Fach Orgel an der Musikhochschule in München, unter anderem bei Franz Lehrndorfer. Seine Studien beendete er mit dem Kirchenmusik-A-Diplom und dem Meisterklassendiplom in Orgel. 1999 wurde er zum Domorganisten in Eichstätt berufen. 2002 wechselte er in der nachfolge von Professor Wolfram Menschick in das Amt des Eichstätter Domkapellmeisters. In dieser Funktion leitete er die Chöre der Eichstätter Dommusik (Domchor, Schola Gregoriana und Jugendkantorei). Zusätzlich trug er als Diözesanmusikdirektor und Leiter des Amtes für Kirchenmusik die Verantwortung für die diözesane Kirchenmusik im Bistum Eichstätt. Das Singen im Chor des Domkapellmeisters und den beiden anderen Chören mit jeweils eigenem Chorleiter ist für die Regensburger Domspatzen eingebunden in die Bildungsaufgabe des Gymnasiums, das die Domspatzen als Internats-, Tages- oder Stadtschüler besuchen. Die Grundlagen für die Ausbildung zum Domspatz werden bereits im Kindergarten-Alter gelegt, in der hauseigenen Sing- und Chorschule und in der benachbarten Domspatzen-Grundschule. Seit dem Schuljahr 2022/23 besuchen auch Mädchen das Gymnasium. Im Rahmen der Tage Alter Musik Regensburg konzertierten die Regensburger Domspatzen mit La Grande Ecurie et la Chambre du Roy (1986), Musica Florea (2000), Akademie für Alte Musik Berlin (2004, 2008, 2010, 2012), L’Orfeo Barockorchester (2009, 2015, 2016, 2017), Concerto Köln (2007, 2011, 2013, 2018) und der Hofkapelle München (2019, 2021, 2022). „L’arpa festante“, das zur Eröffnung des Münchner Opernhauses 1653 aufgeführte dramatische Werk Giovanni Battista Maccionis, steht symbolhaft für die künstlerische Arbeit und das musikalische Engagement des gleichnamigen Barock- oder besser Originalklangorchesters. Bereits 1983 gegründet und damit eines der traditionsreichsten deutschen Ensembles für Alte Musik, hat sich L‘arpa festante nicht nur als unverwechselbarer Klangkörper bei der Aufführung von Instrumentalwerken, sondern auch als Partner leistungsfähiger Chöre bei Aufführungen der gesamten barocken, klassischen und romantischen Chor-Orchester-Literatur einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Je nach Entstehungszeit der aufgeführten Werke verwendet L’arpa festante das passende Original-Instrumentarium und kann so die Klangfarben der Werke originalgetreu nachzeichnen. Zahlreiche von Kritik und Publikum begeistert aufgenommene CDEinspielungen haben L’arpa festante weithin bekannt gemacht. Die Diskographie umfasst mittlerweile über 50 Veröffentlichungen bei angesehenen Labels wie Sony, Accent, Carus, CPO, Ars und naxos und reicht von Werken des Hochbarock über Spätbarock und Klassik bis zur Romantik. Christoph Hesse, Jahrgang 1963, erhielt seinen ersten Violinunterricht mit sechs Jahren. nach dem Abitur studierte er Jura, Musikwissenschaft und Philosophie. Von 1994-2000 arbeitete er als RechtsL’arpa festante Christoph Hesse, Konzertmeister L’arpa festante Katja Stuber, Sopran Foto: Maria Conradi 7
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Konzert 1 anwalt. Danach entschied er sich für die Laufbahn als freiberuflicher Musiker. Seit 1986 beschäftigte er sich intensiv mit historischen Streichinstrumenten (Violine, Viola, Viola d’amore, Rebec). Seit 1988 ist er Mitglied und seit 1995 Konzertmeister und Organisator des Barockorchesters L’arpa festante. neben seiner Konzertmeistertätigkeit bei L’arpa festante geht er auch einer ausgedehnten solistischen Tätigkeit als Barockgeiger nach. Fast 20 Jahre unterrichtete er an der Frankfurt International School in Oberursel. Die Sopranistin Katja Stuber wurde in Roding in der Oberpfalz geboren, studierte an der Hochschule für Musik und Theater München bei Christian Gerhaher sowie in Saarbrücken bei Ruth Ziesak. In der Spielzeit 2009/2010 war sie am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz engagiert. Von 2014 bis 2017 war sie Ensemblemitglied im Staatstheater Darmstadt. Im Sommer 2011 feierte Katja Stuber ihr viel beachtetes Debüt als „Junger Hirt“ in Richard Wagners „Tannhäuser“ bei den 100. Bayreuther Festspielen unter der musikalischen Leitung von Thomas Hengelbrock. Bei den Festspielen der Jahre 2012 – 2014 war sie in derselben Partie unter Christian Thielemann und Axel Kober zu hören sowie als Solistin in Mozarts „Requiem“ und als Belinda in Purcells „Dido und Aeneas“ bei den Salzburger Festspielen. Als gefragte Konzert-Solistin musizierte Katja Stuber mit vielen renommierten Orchestern, u. a. mit Concerto Köln, dem Balthasarneumann-Ensemble, demWDR Sinfonieorchester Köln, dem nDR Sinfonieorchester, den Bamberger Symphonikern, dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Royal Concertgebouw Orchestra, dem Swedish Radio Symphony Orchestra, der Akademie für Alte Musik Berlin und dem City of Birmingham Symphony Orchestra. Katja Stuber ist Stipendiatin der Organisation Yehudi Menuhin Live Music now e.V., des Deutschen Bühnenvereins sowie des Deutschen Musikrats. Seit dem Wintersemester 2017/18 unterrichtet sie eine Gesangsklasse an der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik in Regensburg. Anne Bierwirth studierte Gesang und Historische Interpretationspraxis bei Prof. Heidrun Kordes an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt amMain. Sie ist eine gefragte Konzert- und Oratoriensängerin. Ihr Repertoire reicht von Werken der Renaissance über Barock, Klassik und Romantik bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen. Konzertengagements führten die Altistin in zahlreiche Städte Deutschlands und Europas sowie auf Konzertreisen nach Brasilien, China, Russland und Südafrika. Dabei arbeitete sie u.a. mit Ivor Bolton, Thomas Hengelbrock, Pablo Heras-Casado, Hermann Max, Wolfgang Schäfer, Michael Schneider und Florian Heyerick zusammen. Sie ist regelmäßig zu Gast auf zahlreichen Festivals wie dem Bachfest Leipzig, den Telemann-Tagen Magdeburg, dem Rheingau Musik-Festival, dem Zermatt-Festival und den Pfingstfestspielen Baden-Baden. Diverse CD-Aufnahmen und Rundfunkmitschnitte dokumentieren ihre Arbeit. Der Tenor Michael Mogl erhielt seine erste musikalische Ausbildung bei den Regensburger Domspatzen. Danach studierte er an den Hochschulen in Köln und Zürich, wo er sein Studiummit Auszeichnung abschloss. Der junge Tenor kann eine rege Konzerttätigkeit im In- und Ausland vorweisen und arbeitete mit renommierten Orchestern und Dirigenten zusammen. Sein weit gefächertes Repertoire reicht von Monteverdi über Mozart bis hin zur zeitgenössischen Musik; darunter Werke wie C. Monteverdis Marienvesper, Kantaten und Oratorien von J.S. Bach, Händels Messias, das Requiem von Mozart, die Schöpfung von Joseph Haydn, Felix Mendelssohn-Bartholdys Paulus und Elias und Rossinis Petite messe solennelle. Dem vielseitigen Sänger liegt auch die Oper am Herzen. So sang er beispielsweise den Tamino in Mozarts „Zauberflöte“, den Contino Belfiore in der Mozartoper „La finta giardiniera“, Orpheus in Harrison Birtwistles „The Corridor“ oder war als Bettelstudent in der gleichnamigen Operette von Carl Millöcker zu erleben. Zudem gestaltet der Tenor auch Liederabende und solistische Konzertprogramme mit unterschiedlichen thematischen und musikalischen SchwerAnne Bierwirth, Alt Foto: Christof Palm Michael Mogl, Tenor Foto: Marco Borggreve Christof Hartkopf, Bass 9
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Konzert 1 punkten. Seine Partner sind unter anderem die Pianistin Monika nagy, der Pianist Edward Rushton, der Gambist/Cellist Alex Jellici, der Lautenist Lorenzo Abate oder das Stradivari Quartett. Bei den Tagen Alter Musik gastierte er 2017, 2021 und 2022. Der Bariton Christof Hartkopf gehört zu den zahlreichen ehemaligen Domspatzen, deren Leidenschaft für den Gesang sich nicht gelegt hat. Zunächst allerdings überwog seine Skepsis gegenüber einer Sängerlaufbahn. Als dann aber ein „Einspringer“ im Opernstudio der Bayerischen Staatsoper in Prokofjews „Liebe zu den drei Orangen” überraschend gut glückte, entschied er sich schließlich doch für ein Gesangsstudium an der Berliner universität der Künste und wurde dort von Dietrich Fischer-Dieskau in seine Liedklasse aufgenommen. Gleichzeitig konzertierte er als Mitglied der Gruppe Singer Pur u.a. zusammen mit dem Hilliard Ensemble, war Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes und erhielt noch während des Studiums eine Festanstellung beim renommierten Berliner RIAS Kammerchor. neben seiner Solotätigkeit mit diversen Engagements, u.a. amHansOtto-Theater Potsdam, beim Freiburger Barockorchester, der Akademie für Alte Musik Berlin oder den Berliner Philharmonikern hat Christof Hartkopf seit 2004 ein Festengagement beim Chor des Bayerischen Rundfunks, das es ihm ermöglichte, immer wieder auch in verschiedensten Solopartien mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Symphonieorchester des BR und Dirigenten wie Howard Arman, Thomas Hengelbrock, Mariss Jansons oder Riccardo Muti zusammenzuarbeiten. Bei den Tagen Alter Musik Regensburg war Christof Hartkopf zuletzt 2016 mit Joseph Haydns Paukenmesse zu Gast. zum Programm: BWV 249 und 11: oratorien oder Kantaten? Die elf und neun Stücke, von Bachforschern mit den nummern 11 (uA 1735) und 249 (1725-1738/1743) beziffert, werden auch als Himmelfahrts- bzw. Osteroratorium bezeichnet. Ein scheinbar unpassender name, denn mit eben nur elf und neun Musiknummern und einer durchschnittlichen Spieldauer von ca. 30 Minuten reichen die Dimensionen der Werke kaum an Bachs große Passionsoratorien nach Matthäus und Johannes oder das demgegenüber geradezu monumentale Weihnachtsoratorium heran. Das muss eigentlich auch nicht sein, wenn man bedenkt, dass auch Heinrich Schütz’ ca. 100 Jahre ältere Auferstehungshistorie ebenfalls „nur“ Musik für ca. 40 Minuten enthält. Was ein Oratorium sei oder nicht, kann ohnehin kaum eindeutig bestimmt werden und schon gar nicht durch die Menge an Musik; eher schon über die Besetzung für Solisten, Chor und Orchester. Diese allerdings überschneidet sich mit der Kantate (eine ebenso vieldeutige Gattungsbezeichnung) und tatsächlich wurde die erste der insgesamt drei Fassungen von BWV 249 als Kantate zum 1. Ostertag bezeichnet und trug den Titel des ersten Textabschnitts (Incipit): „Kommt, eilet und laufet“. BWV 11 hingegen überschrieb Bach selbst mit „Oratorium Festo Ascensionis Christi“. Auferstehung und Himmelfahrt als christliches und inter-religiöses Motiv Der Titel „Osteroratorium“ sagt uns, dass es um die neutestamentlichen Geschehnisse um die Auferstehung Jesu geht, also um jene Ereignisse des dritten Tags nach der Kreuzigung. Die Himmelfahrt geschah nach Markus und Lukas (Mk 16,19; Lk 24,51) sowie der Apostelgeschichte (1,1–11) vierzig Tage danach. In der Apostelgeschichte wird sie ausführlich geschildert, wonach der auferstandene Christus zunächst wiederholt seinen Jüngern begegnet und schließlich in den Himmel aufgenommen wird, wo er mit dem Platz „zur Rechten Gottes“ die Macht über Himmel und Erde erhält. Die Kreuzigung selbst ist mitsamt den ihr vorangehenden Stationen des Leidenswegs Gegenstand der für die Feiern während der Karwoche vorgesehenen Passionsmusiken. Bach und seine Zeitgenossen (Telemann, Keiser, Händel, Mattheson, Fasch) haben sich mit großer musikalischer Hingabe diesem Sujet gewidmet, was sicherlich auch auf die enorme Dramatik, die den Schilderungen der letzten Tage von Jesus‘ irdischem Dasein innewohnt, zurückzuführen ist. Dramatik, Trauer- und Leidensgestus gaben Anlass zu expressiven Musikalisierungen. Demgegenüber nehmen sich die Hergänge zu Ostern und Himmelfahrt als ruhig, friedlich und still aus. Die musikalische Bevorzugung von Weihnachten und Karwoche sollten allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ostern das wichtigste christliche Fest darstellt. Es war daher Gegenstand der frühesten christlichen Zusammenkünfte, ja es kann als urgrund des Christentums verstanden werden, denn hier wird Jesus zum Christus. Seine Auferstehung, der Sieg über den Tod, ist tiefstes Geheimnis dieses Glaubens. Johann Sebastian Bach, Porträt von Elias Gottlieb Haussmann, 1746 11
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Mai 2023 Dieser zentrale christliche Glaubensinhalt hat indes seine Vorläufer: So waren einige jüdische Gemeinschaften von der Auferweckung auserwählter Toter, der Gerechten, überzeugt. Aus einer Perspektive, die Jesus im Zusammenhang mit jüdischen Traditionen sieht, erscheint auch seine Auferstehung als Teil einer jüdischen Lehre. Berichte über auferstandene Tote bzw. entsprechende religiöse Motive gab es auch in der Antike sowie in der altpersischen Religion des Zoroastrismus und in der ägyptischen Religion; also in drei der ältesten Religionen. Überall verbinden die Gläubigen damit die Hoffnung auf die Existenz eines Erlösers, eines Retters oder Messias. Eine vergleichbare Verbreitung hatte die Idee der Himmelfahrt in verschiedenen Religionen, da sie meist der Auferstehung folgte. So erfuhren Helden und andere Gestalten der griechischen Mythologie nach demAbleben eine Apotheose, die sie als Sternenbild am Himmel prangen ließ, und prominent fährt etwa der Prophet Elias im Alten Testament in einem Feuerwagen gen Himmel. Im neuen Testament selbst gibt es ebenfalls eine Art Vorläufer, einen Vorgriff auf das Osterwunder, eine Prolepse, nach welcher Jesus selbst an einem anderen Menschen die Auferstehung bewirkt. Lazarus, der verstorbene Bruder von Maria und Martha, wird aus dem Grab ins Leben zurückgerufen, was bis dahin den Höhepunkt des Wunderwirkens darstellt, demonstriert es doch nicht weniger als die Kraft zum Sieg über den Tod, was den neuralgischen Punkt der christlichen Heilserwartung bildet. eine Würdigung des weiblichen Beitrags Wer als erster bemerkt, dass das Grab leer ist und die Botschaft erhält, dass Jesus von den Toten auferstanden sei, wird in den unterschiedlichen Evangelien abweichend dargestellt. Übereinstimmung herrscht bei Markus (dem ältesten Evangelium) und Johannes in dem Punkt, dass es Frauen waren. Insbesondere Johannes präzisiert, dass es sich dabei umMaria Magdalena gehandelt habe. Wir kennen sie aus der Passionsgeschichte – also der Erzählung von Jesu Leidensweg bis zum Tod am Kreuz -, in der sie zusammen mit Maria von nazareth (der Mutter Jesu) seine letzten Stunden begleitet, während die Jünger sich bereits versteckten oder geflohen waren, weil sie Verfolgung befürchten mussten. Maria Magdalena war es auch, die sich mit um den Leichnam kümmerte und nun sein Grab besuchte, um die hastig erfolgte umwickelung mit dem Schweißtuch – einer Reliquie, die als Turiner Grabtuch verehrt wird – mit einer ordnungsgemäßen Einbalsamierung zu korrigieren. Das Schweißtuch der Grablegung erwähnt der Oratorientext mehrfach, da es, des verschwundenen Körpers entledigt, zum sichtbaren Zeichen (neben dem entfernten Stein, der das Grab verschloss) des geschehenen Wunders und somit zum Symbol der christlichen Hoffnung wird. Entsprechend singt der Tenor (Petrus) in seiner „Schlummer“- Arie: „Sanfte soll mein Todeskummer, nur ein Schlummer, Jesu, durch dein Schweißtuch sein.“ Der eminent weibliche Beitrag zum Geschehen, die hervorgehobene Rolle der beiden Marien zu einem Zeitpunkt, als kein Mann mehr anwesend war, um eine würdige Pflege des Leichnams zu besorgen, wird im Oratoriummit geradezu feministischer Geste bedacht, wenn im ersten Rezitativ vom Alt (Maria Jacobi) die Anklage erhoben wird: „O kalter Männer Sinn! Wo ist die Liebe hin, die ihr dem Heiland schuldig seid?“, und der Sopran (Maria Magdalena) weiteres Salz in die Wunde streut: „Ein schwaches Weib muss euch beschämen!“, was die Schwäche natürlich zugleich relativiert. Entsprechend schämen sich Petrus (der Jesus verleugnete) und Johannes (Bass) dann auch: „Ach, ein betrübtes Grämen und banges Herzeleid“. Musikalische Gestaltung Beide Werke sind an Satztechniken, Formen und Kunstgriffen reich, die wir aus Bachs anderen Oratorien und Kantaten kennen und schätzen. Wir hören einleitende, den „Ton“ setzende Sinfoniae – wobei Bach sich imOsteroratorium gleich zwei instrumentale Einleitungen leistet, die erste freudig und festlich, die zweite (Adagio), in die Szenerie der Grabstätte einführend, schmerzhaft und betrübt -, weiter ausführliche Rezitative mit mehreren Beteiligten; sie repräsentieren Bachs Kunst, an der Sprache und Situation orientiert zu komponieren, also seinen „rhetorischen“ Zugriff, und fügen aus nur wenigen Sätzen kleine dramatische Szenen zusammen. AußerdemwerdenArien und Duette in Da-Capo-Form geboten, die der Gesangsstimme häufig ein charakteristisches Soloinstrument beigeben und zwischen situationsbedingtem Affekt und frommer Andacht changieren. Kenner der Musik Bachs werden viele nummern wiedererkennen. So besteht das Osteroratorium zu einem großen Teil aus der Musik der „Schäferkantate“ (BWV 249a). und hinter nr. 4 von BWV 11 („Ach, bleibe doch, mein liebstes Leben“) verbirgt sich die Musik der Altarie „Agnus Dei“ aus der h-Moll Messe. Sie stammt ursprünglich aus der „Hochzeitskantate“ (BWV Anh. 196), wurde neu textiert als so genannte Parodie für das Oratorium übernommen und dann nochmals in der Messe verwendet. Solche Parodien waren üblich und notwendig, um dem hohen Arbeitsaufkommen, das die musikalische Versorgung im Amt des Thomaskantors mit sich brachte, zu begegnen. Schließlich machen die Chöre den prunkvollen Anteil der Musik aus. Sie greifen überwiegend auf bestehende Choräle zurück, die dann musikalisch ausgearbeitet werden. Der durchaus mit seinem Gegenstück im Weihnachtsoratorium vergleichbare Schlusschor von BWV 11 etwa verarbeitet eine Zeile aus dem Choral „Gott fähret auf gen Himmel” (Gottfried Wilhelm Sacer, 1697) zu einer hochpolyphonen Choralphantasie mit der Melodie (Cantus firmus) im Sopran und einem prächtigen und hoffnungsvollen Abschluss in D-Dur. Im Himmelfahrtsoratorium gibt es im Gegensatz zu BWV 249 einen Erzähler, der durch die Handlung führt und der Gestaltung des Evangelisten in den großen Oratorien entspricht. Kurz mögen die beiden Stücke sein. Doch können sie als Kondensate von Bachs oratorischer Kunst gehört werden, die aufgrund ihrer Vielseitigkeit und Souveränität der Komposition keine Wünsche offen lassen. Durch ihre Zusammenstellung ergibt sich ein ganzes Panorama an heilsgeschichtlichen Stationen vom Tod bis zur Auferstehung, das mit dem reichhaltigen Kosmos an musikalischen Gestaltungsweisen korrespondiert und zugleich reflektiert wird. Autor: Gregor Herzfeld, Universität Regensburg CD: Regensburger Domspatzen – Erschaffen 12
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Konzert 1 JoHAnn SeBAStIAn BACH (1685-1750) oSterorAtorIUM – orAtorIUM FeSto PASCHALI BWV 249 HIMMeLFAHrtSorAtorIUM – orAtorIUM FeSto ASCenSIonIS CHrIStI BWV 11 osteroratorium – oratorium Festo Paschali Kommt, eilet und laufet BWV 249 für Soli (SATB), Chor (SATB), 2 Blockflöten, Flöte (Violine solo), 2 Oboen/ Oboe d’amore, Fagott 3 Trompeten, Pauken, 2 Violinen, Viola und Basso continuo Sinfonia Adagio Chor und Duett (Tenor/ Bass): Kommt, eilet und laufet Rezitativ (Alt/ Sopran/ Tenor/ Bass): O kalter Männer Sinn! Arie (Sopran): Seele, deine Spezereien Rezitativ (Tenor/ Bass/ Alt): Hier ist die Gruft und hier der Stein Arie (Tenor): Sanfte soll mein Todeskummer Rezitativ (Sopran/ Alt): Indessen seufzen wir Arie (Alt): Saget, saget mir geschwinde Rezitativ (Bass): Wir sind erfreut Chor: Preis und Dank PAuSE Himmelfahrtsoratorium – oratorium Festo Ascensionis Christi Lobet Gott in seinen reichen BWV 11 für Soli (SATB), Chor (SATB), 3 Trompeten, Pauken, 2 Traversflöten, 2 Oboen, 2 Violinen, Viola und Basso continuo Chor: Lobet Gott in seinen Reichen Evangelist (Tenor): Der Herr Jesus hub seine Hände auf Rezitativ accompagnato (Bass): Ach, Jesus, ist dein Abschied schon so nah? Arie (Alt): Ach, bleibe doch, mein liebstes Leben Evangelist (Tenor): und ward aufgehoben zusehends Choral: nun lieget alles unter dir Evangelist (Tenor und Bass): und da sie ihm nachsahen gen Himmel fahren Rezitativ accompagnato (Alt): Ach ja! so komme bald zurück Evangelist (Tenor): Sie aber beteten ihn an Arie (Sopran): Jesu, deine Gnadenblicke Choral: Wenn soll es doch geschehen Dieses Konzert wird in Kooperation mit dem Verein „Freunde des Regensburger Domchors” e. V. durchgeführt. Die Regensburger Domspatzen werden bei diesem Konzert-Projekt von der LIGA Bank eG unterstützt. Dieses Konzert findet auch schon am Donnerstag, dem 25. Mai 2023, um 20.00 Uhr in der Dreieinigkeitskirche (Veranstalter: Regensburger Domspatzen) statt. Karten hierfür erhältlich bei: Regensburger Domspatzen, Tel. 0941/7962-0 oder www.okticket.de. Wir danken Andreas Meixner für die Bereitstellung der Truhenorgel. Konzertdauer: ca. 80 Minuten plus Pause ProGrAMM L’ArPA FeStAnte Christoph Hesse Konzertmeister nikolaus norz, Christine rox, Peter Haarmann-thiemann Violine I Georgia Höpfner, renate Harr, Judith Freise Violine II Johanna Weber, Christine Sauer-Lieb Viola Helga Löhrer, Ute Petersilge Violoncello Haralt Martens Violone Anne Freitag Traversflöte I, Blockflöte I Heike nicodemus Traversflöte II, Blockflöte II Peter tabori Oboe I, Oboe d’amore I olga Marulanda Oboe I, Oboe d’amore II Uschi Bruckdorfer Fagott Guy Ferber, Krisztián Kováts, Christine Dobmeier Trompete Charly Fischer Pauken rien Voskuilen Orgel AUSFüHrenDe 13
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Mai 2023 Mit Contrapunctus stellt sich wieder ein hochkarätiges Vokalensemble von der britischen Insel in Regensburg vor. Es verbindet eindrucksvolle Interpretationen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und präsentiert in seinen Konzerten neben bekanntem Vokalrepertoire vornehmlich unbekannte Meisterwerke des 16. und 17. Jahrhunderts. Seit seiner Gründung im Jahr 2010 ist das Ensemble bei vielen der weltweit führenden Musikfestivals aufgetreten. Contrapunctus ist zur Zeit „Vocal Consort in Residence“ an der universität von Oxford und hat bisher sechs CDs beim Label Signum veröffentlicht: John Taverner: Missa Gloria tibi trinitas, In the Midst of Life: Music from the Baldwin Partbooks I, II und III, Salve, Salve, Salve: Josquin’s Spanish Legacy und Libera nos, Byrd, Tallis, Cardoso u. a. owen rees ist sowohl ein gefragter Chorleiter als auch ein international anerkannter Musikwissenschaftler mit besonderem Schwerpunkt auf dem Gebiet der Vokalmusik der Renaissance, insbesondere der aus Spanien, Portugal und England. Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse fließen immer wieder in seine musikalische Praxis ein. Zusätzlich zu seiner Arbeit mit Contrapunctus leitet er den Chor des Queen’s College in Oxford. Er ist Professor für Musik an der universität von Oxford und Fellow des Queen’s College. neben seinen oben erwähnten CD-Veröffentlichungen mit Contrapunctus hat er mit seinem vormaligen Ensemble A Capella Portvgvesa zwei CDs mit portugiesischer Renaissance-Musik beim Label Hyperion veröffentlicht. Mit A Capella Portvgvesa gastierte er erstmals bei den Tagen Alter Musik in Regensburg 1996 in der Dominikanerkirche. Zu seinen Veröffentlichungen als Wissenschaftler gehören Studien und Ausgaben der wichtigsten spanischen Komponisten des „Goldenen Zeitalters“ Morales, Guerrero und Victoria, der portugiesischen Renaissancemeister Cardoso, Lobo und Magalhães sowie der großen Tudor-Komponisten Tallis und Byrd. Vor kurzem hat er ein Buch über das Victoria-Requiem bei Cambridge university Press veröffentlicht. zum Programm: Komponisten der spanischen Renaissance wurden durch Texte, die sich mit Themen wie Liebe, Verlust und Klage auseinandersetzen, zu vielen ihrer ausdrucksstärksten und leidenschaftlichsten geistlichen Werke angeregt. Die Verehrung der Heiligen Jungfrau Maria, einer der markantesten Bestandteile der liturgischen Landschaft der Zeit, bediente sich in hohem Maße der Text- und Bildsprache des Contrapunctus (Großbritannien) owen rees, Leitung Freitag, 26. Mai 2023 22.45 Uhr (nachtkonzert) Schottenkirche St. Jakob Jakobstraße 3 Liebe und Klage – Vokalmusik der spanischen renaissance Contrapunctus Foto: John Cairns 14
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Konzert 2 Hohelieds, jenes größten alttestamentarischen Liebeslieds, wobei hier die Geliebte als die Jungfrau Maria interpretiert wird. Die aufwendigen Begräbniszeremonien (Exequien) hingegen, die den Tod hochrangiger Mitglieder der habsburgischen Herrscherfamilie in Städten überall im riesigen spanischen Reich begleiteten, verlangten nach Musik, die Würde und Grandeur mit angemessenem Pathos verband. Ebenso war die Klage natürlich auch ein Hauptbestandteil der Karwoche, einer Woche, die mehr als jede andere des Jahres Anlass zu polyphoner Musik bot. unser Streifzug durch die Marien-, Karwochen- und Requiem-Repertoires im Rahmen des heutigen Konzerts beinhaltet die drei – damals wie heute – berühmtesten Komponisten der spanischen Renaissance: Cristóbal de Morales, seinen Schüler Francisco Guerrero und Guerreros Freund Tomás Luis de Victoria. Sie repräsentieren drei Generationen, die das gesamte sechzehnte Jahrhundert und die ersten Jahre des siebzehnten abdecken: Morales wurde um 1500 geboren, Guerreros Karriere erstreckte sich über die zweite Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts und Victoria starb 1611. Ihre Musik war sowohl im spanischen Reich (in der alten und der neuen Welt) als auch in ganz Europa verbreitet. Zwei von ihnen – Morales und Victoria – machten sowohl in Spanien als auch in Rom (wo der spanische Einfluss zu dieser Zeit sehr groß war) Karriere, während Guerrero sein Leben lang in Spanien arbeitete. Alle drei bedienten sich des florierenden notendrucks in Italien – insbesondere in Venedig und Rom –, um die internationale Verbreitung ihrer Werke zu gewährleisten. Morales war an verschiedenen spanischen Kathedralen angestellt, bevor er etwa zehn Jahre als Sänger an der päpstlichen Kapelle in Rom verbrachte, von wo er zurückkehrte, um den Posten des Kapellmeisters an der Kathedrale von Toledo zu übernehmen. Dort unterrichtete er Guerrero und half diesem auch dabei, seine erste Kapellmeisterstelle an der Kathedrale von Jaén zu erhalten. Den größten Teil seiner Karriere verbrachte Guerrero jedoch im Dienst der Kathedrale von Sevilla, einer der bedeutendsten musikalischen Institutionen der iberischen Halbinsel. Der in Ávila geborene Victoria wurde in den 1560er Jahren als Student an das deutsche Jesuitenkolleg in Rom geschickt und lebte und arbeitete für zwanzig Jahre in Rom als Kapellmeister, Musiker, Komponist und Priester. Er kehrte in sein Heimatland zurück, um als Kaplan der Kaiserinwitwe Maria von Spanien im Kloster Descalzas Reales in Madrid zu dienen, und unterhielt daher in den letzten 25 Jahren seines Lebens enge Beziehungen zum spanischen Königshof. Guerrero wurde vor allem durch seine Musik zu Ehren der Heiligen Jungfrau (der die Kathedrale von Sevilla geweiht ist) berühmt – in demMaße, dass er von seinen Zeitgenossen als „el cantor de María“ bezeichnet wurde. Die letzten vier Werke dieses Konzerts demonstrieren sowohl die Inspiration, die er aus marianischen Texten schöpfte, als auch die beeindruckende Vielfalt an Techniken und Texturen, deren er sich bediente, um auf diese Texte einzugehen. unter diesen Techniken waren einige wohl etablierte Methoden zur Demonstration kompositorischen Könnens, besonders beliebt bei spanischen Komponisten, die von bestimmten Werken Josquin Desprez’ beeinflusst waren. Eine dieser Techniken war der Kanon, wie er etwa in Guerreros berühmtester Motette, Ave virgo sanctissima, zu finden ist, in der die beiden Oberstimmen die Phrasen der jeweils anderen Stimmen während des gesamten Stücks wiederholen. Eine weitere Technik war das Ostinato: die periodische Wiederholung eines musikalischen Mottos in einer Stimme, die das Werk zusammenhält und es an ein zentrales musikalisches und textliches Thema bindet. Diese Technik kann mit der von zeitgenössischen Predigern verglichen werden, die ihre Predigten oft um einen einzigen Schlüsselsatz aus der Bibel herum gestalteten, auf den sie immer wieder zurückkamen. Guerreros Vertonung des Hohelied-Textes Surge propera, amica mea veranschaulicht diese Praxis: Guerrero wählte als Ostinato-Motto „Veni, sponsa Christi“, „Komm, Braut Christi“, und christianisiert damit den von den anderen Stimmen gesungenen alttestamentarischen Text: Die „Geliebte“ (aus dem Hohelied) wird hier zur „Braut Christi“, womit in diesem Zusammenhang Maria gemeint ist. Im ersten Teil der Motette sinkt das Motiv mit jeder Wiederholung um eine Stufe ab, während es im zweiten Teil wieder ansteigt und so das allmähliche Crescendo unterstützt, das sich vom Gurren der Turteltaube („vox turturis“) bis zum markanten Höhepunkt am Schluss des Stückes entwickelt, bei dem das „Christi“ auf der höchsten note der Schlussharmonie erklingt. Die duftenden und sinnlichen Bilder des Hohelieds regten Renaissancekomponisten oft zu musikalischen Antworten von besonderer Kraft und Farbe an und dieses Werk bildet keine Ausnahme: So durchbrechen die kraftvollen, aufsteigenden Linien, die Guerrero zur Vertonung der abschließenden Aufforderung an die Geliebte, sich zu erheben („surge“), verwendet, freudig die Fesseln ‚normaler‘ melodischer Linien in den polyphonen Stilen der Epoche. neben solchen Werken, Owen Rees, Leitung Foto: John Cairns 15
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Mai 2023 die sich der reichen traditionellen kontrapunktischen Texturen der geistlichen Polyphonie bedienen, zeigte Guerrero – etwa in Ego flos campi – auch sein Können in der zunehmend in Mode kommenden Praxis des doppelchörigen Komponierens, bei dem der Text in schnellem Sprechrhythmus deklamiert wird. Zu den Werken mit Texten aus dem Hohelied, die heute Abend auf dem Programm stehen, gehört auch Guerreros eindrucksvolle sechsstimmige Motette Tota pulchra es Maria, in der das biblische Liebeslied (durch den simplen Kniff der Einfügung ihres namens) zu einem Loblied auf die Heilige Jungfrau wird, die „mir das Herz genommen [hat]“: Die ‚Wunde‘ der heiligen Liebe wird in einer wunderbar leisen Passage zu Beginn des zweiten Teils der Motette mit den Worten „vulnerasti cor meum“ dargestellt. Zu den Bildern aus demHohelied, die auf Maria angewandt wurden, gehörte auch das des „verschlossenen Gartens“ („hortus conclusus“), dem Thema der schönen vierstimmigen Motette von Rodrigo de Ceballos, einem Kollegen Guerreros in Sevilla. In der blumigen Sprache des Hohelieds wird die Geliebte hier als Taube („columba“) dargestellt, die von den Sängern am Ende des Werkes aufgefordert wird: „komm und lass dich krönen“ („veni coronaberis“). Ähnliche Bilder werden in Victorias zu Recht berühmter Motette Vidi speciosam in einen umfassenderen musikalischen Kontext gestellt. Er erfreut sich augenscheinlich daran, jedes der lebendigen textlichen Bilder, einschließlich des der aufsteigenden Taube („columbam ascendentem“), musikalisch darzustellen und das Stück dramatisch weiter auszugestalten, indem er verschiedene Gruppierungen von Stimmen gegeneinandersetzt. Cristobal de Morales (ca. 1500-1553) 16
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Konzert 2 Für die Exequien der habsburgischen Könige wurden große Kirchen wie die Kathedrale von Sevilla im gesamten spanischen Herrschaftsgebiet in Tempel der Trauer und des Gedenkens verwandelt, düster und doch blendend hell vor Kerzenlicht, die Wände und Bänke mit schwarzen Vorhängen verhüllt und der Raum beherrscht von einem riesigen Katafalk mit einer Darstellung des königlichen Grabes auf seinem Sockel und mit Tausenden von Kerzen bedeckt. Die zwei Tage umfassenden liturgischen Zeremonien begannen mit der Totenmatutin und der ersten polyphonen Komposition, Circumdederunt me. Morales’ nüchterne und doch bewegende Vertonung, mit der das heutige Konzert beginnt, basiert auf dem gleichmäßig schreitenden Choral und wurde bei den Exequien für Kaiser Karl V. in Mexiko-Stadt gesungen. ImArchiv der königlichen Kapelle in Granada ist eine außergewöhnliche sechsstimmige Motette erhalten, deren Text sich auf die alttestamentlichen Klagelieder Jeremias’ stützt und die Stadt (Granada) als „voll der Trauer“ beschreibt, komponiert 1598 für die Exequien von König Philipp II. von Spanien in Granada. Victorias Vertonungen der Klagelieder des Jeremia wurden in seiner großen Sammlung von Musik für die Karwoche, dem Officium Hebdomadae Sanctae, gedruckt 1585, veröffentlicht. Incipit oratio bildet die dritte Lektion der Matutin (oder Tenebrae) für den Karsamstag. Hier wird der Text des Propheten, der die Verwüstung Jerusalems beklagt, nicht durch die Vertonung hebräischer Buchstaben unterbrochen, wie dies aus anderen Vertonungen der Klagelieder bekannt ist, obwohl der Höhepunkt der Lektion wie üblich die Aufforderung an Jerusalem ist, sich wieder seinem Gott zuzuwenden („Jerusalem, Jerusalem, converte ad Deum tuum“). Victorias Motette Vadam et circuibo civitatem ist eine der dramatisch-belebtesten Motetten des gesamten spanischen Renaissance-Repertoires. Die Sprecherin (im ersten Teil des Textes), die die „Schönste unter den Frauen“ ist (und daher als Maria verstanden wird), sucht ihren verlorenen Geliebten (Christus) in den Straßen Jerusalems und bittet die „Töchter Jerusalems“ voll Sorge um nachricht von ihm. Schließlich kommt die Antwort: „Er ist in den Palmbaum hinaufgestiegen, um ihre Früchte zu ernten“. Anders ausgedrückt: wir werden zumAnblick der Kreuzigung geführt. Autor: Owen Rees Deutsche Fassung: Janosch Umbreit, Universität Regensburg Luis de Aranda war von 1592 bis zu seinem Tod im Jahr 1627 Kapellmeister der Kathedrale von Granada. In demselben Archiv findet sich auch eine weitere ausdrucksstarke Trauermotette, Circumdederunt me, die dort Juan de Avila zugeschrieben wird. Sie gelangte in die neue Welt und wurde dort Juan de Padilla zugeschrieben. Die frühere Zuordnung aus Granada scheint hier amwahrscheinlichsten zu sein. LIeBe UnD KLAGe – VoKALMUSIK Der SPAnISCHen renAISSAnCe CrIStóBAL De MorALeS (ca. 1500-1553) Circumdederunt me toMáS LUIS De VICtorIA (ca. 1548-1611) Vadam et circuibo civitatem JUAn De AVILA (UM 1600) Circumdederunt me toMáS LUIS De VICtorIA Incipit oratio Ieremiae Prophetae LUIS De ArAnDA (+ 1627) Quomodo sedet sola civitas toMáS LUIS De VICtorIA Vidi speciosam roDrIGo De CeBALLoS (ca. 1530-1581) Hortus conclusus FrAnCISCo GUerrero (1527/28-1599) Tota pulchra es Ego flos campi Ave virgo sanctisssima Surge propera, amica mea Konzertdauer: ca. 65 Minuten (keine Pause) ProGrAMM ContrAPUnCtUS Helen Ashby, esther Brazil, emilia Morton, Carolin Halls Sopran tristram Cooke, eleanor Minney Alt Ashley turnell, toby Ward Tenor Ben rowarth, Greg Skidmore Bass AUSFüHrenDe CD: Contrapunctus – Salve, Salve, Salve PreSSe-ALMAnACH Der PreSSe-ALMAnACH zum Festival 2022 mit zahlreichen Farbfotos und Rezensionen ist erschienen. Zum Preis von 5,- Euro ist er ebenso wie ältere Jahrgänge erhältlich im Informationszentrum im historischen Salzstadel neben der Steinernen Brücke. neU 17
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Mai 2023 the royal Wind Music nennt sich ein international besetztes 11köpfiges Renaissance-Blockflötenensemble, das 1997 von Paul Leenhouts gegründet und bis 2010 auch von ihm geleitet wurde. Heute sind María Martínez Ayerza und Hester Groenleer künstlerische Leiterinnen des Ensembles. Alle Mitglieder der Royal Wind Music sind Absolventen der Amsterdamer Musikhochschule (Conservatorium van Amsterdam) und präsentieren ihre Konzerte grundsätzlich auswendig. Das Instrumentarium reicht vom 15 cm kleinen Sopranino bis zur fast drei Meter langen Subkontrabassblockflöte. Gebaut wurden die Instrumente in den Werkstätten von Adriana Breukink (1957-2022) und Bob Marvin (1941-2018). Das Kernrepertoire bildet Musik von ca. 1520 bis 1640 in entsprechenden Arrangements. The Royal Wind Music ist in vielen großen Konzertsälen wichtiger Musikmetropolen Europas und der Vereinigten Staaten aufgetreten. Auftritte bei prestigeträchtigen Festivals fanden u. a. beim Festival Oude Muziek in utrecht, beim International Early Music Festival in London und beim Boston Early Music Festival statt. The Royal Wind Music hat zahlreiche CDs beim spanischen Label Lindoro veröffentlicht. Die 2017 bei Pan Classics erschienene Aufnahme „Cosmography of Polyphony“ beschreibt das musikalische universum der Gruppe, das von Renaissancemusik aus England, Spanien, Italien, Deutschland, den niederlanden und Flandern bis hin zu gelegentlichen Ausflügen in das Barockrepertoire reicht. In diesem Jahr erschienen zwei CD-neuaufnahmen, eine mit dem Vokalensemble Psallentes unter der Leitung von Hendrik Vanden Abeele („Gratia plena to Memling“), eine Sammlung von Musik, inspiriert von Hans Memlings berühmtem Bild „Die Verkündigung“ aus dem Metropolitan Museum in new York (Label Le Bricoleur). Die neueste Aufnahme mit dem Titel „The Orange Tree Courtyard“, ein musikalischer Spaziergang um und in die Kathedrale von Sevilla im Zeitalter der Renaissance, wurde bei PAn Classics veröffentlicht. Das Dürer-Programmkonzept stammt von dem Ensemblemitglied María Martínez Ayerza und erfährt in Regensburg seine deutsche Erstaufführung. the royal Wind Music (niederlande) Musik aus der zeit von Albrecht Dürer (1471-1528) – Meisterhafte Musik des goldenen zeitalters der Polyphonie für Blockflötenensemble The Royal Wind Music Hester Groenleer künstlerische Leitung Samstag, 27. Mai 2023 11.00 Uhr (Matinee) Dreieinigkeitskirche Am Ölberg 1 18
TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Konzert 3 zum Programm: Was Schönheit ist, weiß ich nicht, wenngleich sie vielen Dingen anhaftet. Albrecht Dürer Der umfang, die Tiefe und der Einfallsreichtum von Albrecht Dürers künstlerischem Schaffen sind überwältigend, ebenso wie die Fülle der wissenschaftlichen Ressourcen zu seinem Leben undWerk. Aus diesem Grund ist dieses Konzertprogramm, obwohl es ursprünglich eine musikalische Biografie werden sollte, am Ende zu einer eher abstrakten und subjektiven Skizze geworden. Sechs bekannte Werke Dürers stehen imMittelpunkt dieses Programms, frei verbunden mit der Musik seiner Zeit. Musik, die einem bei der Reflexion dieser Kunst in den Sinn kommt, absorbiert von der Perfektion und Tiefe jener Bilder. Das Programm beginnt mit zwei Motetten, die man mit Dürers Die Jungfrau und das Kind mit einer Blume auf einem grasbewachsenen Ufer (1503) in Verbindung bringen könnte. Diese Zeichnung war der Öffentlichkeit vor wenigen Jahren noch unbekannt, bis sie bei einer Auktion in Massachusetts entdeckt und gekauft wurde. Die Jungfrau Maria blickt aus dem Bilderrahmen, als wäre sie vom Betrachter begrüßt worden. Dieser „nach außen gerichtete“ Blick spiegelt sich in Ludwig Senfls Ave Rosa Sine Spinis wider, einem prachtvollen Gruß zu Ehren Mariens. Der Text ergänzt das Ave Maria und scheint fast Dürers Zeichnung zu beschreiben: Maria, bekannt als der Meeresstern, Dank deines Sohnes strahlst du hervor mit einem klaren, göttlichen Licht, das auf alle Geschöpfe fällt. Andererseits schwingt der intime, zärtliche Blick des Kindes auf seine Mutter in dem zarten Mater patris et filia von Antoine Brumel mit, das für drei gleiche Stimmen geschrieben wurde. Die Liebe zwischen dieser Mutter und ihrem Sohn lässt die Gläubigen auf Gottes Barmherzigkeit hoffen, wenn sie die gütige, mitfühlende Muttergottes um Fürsprache bei ihm bitten. Vom Spirituellen zum Allegorischen übergehend, betrachten wir eines der obskursten Werke Dürers, den Stich Melencolia I (1514). Der Titel mag verraten, wer die geflügelte Frauenfigur ist, aber die Objekte und die Landschaft, die sie umgibt, sind Gegenstand umfangreicher Diskussionen und eine endgültige Interpretation ist schwer zu finden. Auch die vier mit diesem Bild verbundenen Kompositionen sind mehrdeutig, obskur und melancholisch. Dulces exuviae ist ein Auszug aus der Klage von Königin Dido aus Vergils Aeneis. Dido will Selbstmord begehen, nachdem sie vom trojanischen Helden Aeneas verlassen wurde, und singt: „Objekte, die mir lieb sind, erhalten dieses Leben, solange das göttliche Schicksal es erlaubte, und befreien mich von diesen Kümmernissen.“ Der Anblick all dieser Objekte und die Annahme des Schicksals in Didos Lied haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Dürers Allegorie, die in einigen Interpretationen das Gefühl des Künstlers darstellen könnte, eine Inspiration verloren zu haben, die möglicherweise nie wiederkehrt. Si dormiero ist eine mysteriöse Komposition, die in verschiedenen Quellen unter verschiedenen Titeln und Zuschreibungen erhalten ist. So wie uns die allegorischen Gegenstände und Figuren in Dürers Stich sofort ins Auge fallen, ob wir sie verstehen oder nicht, hören wir hier einige musikalische Besonderheiten, vor allem die Passagen mit mehreren Wiederholungen des gleichen Motivs – als ob wir uns im Kreis drehen würden. Könnte es ein musikalisches Bild aus Hiob 7, 4 sein, das mit den Worten Si dormiero beginnt? „Wenn ich mich Hester Groenleer, künstlerische Leitung Foto: Marco Borggreve María Martínez Ayerza, künstlerische Leitung & Dürer-Programmkonzept Foto: Marco Borggreve Die Jungfrau und das Kind mit einer Blume auf einem grasbewachsenen Ufer – Zeichnung 1503 Melencolia I – Kupferstich, 1514 19
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