Tage Alter Musik – Programmheft 2023

TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG und Musik (2014 gastierte Barokksolistene mit diesem Programm in Regensburg bei den Tagen Alter Musik); „The Image of Melancholy“ beschäftigt sich mit traurigen Liedern und Emotionen in Renaissance-, Folk- und Experimentalmusik. Bjart Eikes Konzept „Old Hits from norway“ schließlich verbindet Elemente der Folk- mit Barockmusik aus norwegen und anderer skandinavischer Länder. Mit seinem jüngsten Projekt „The Playhouessessions“ gastiert er nun bei den Tagen Alter Musik. Als freischaffender Geiger und Konzertmeister erkundet er ständig Alternativen zur klassischen Musik. Obwohl seine musikalischen Grundlagen auf der Historischen Aufführungspraxis fußen, bezieht er gern andere künstlerische Ausdrucksformen – bildende Künste, Tanz, Erzählkunst, Improvisation usw. – in seine Aufführungen ein. Er erfährt derzeit das zunehmende Interesse europäischer und amerikanischer Ensembles, ihn als Gast-Konzertmeister und Dirigenten einzuladen. Bjarte Eike studierte an der Grieg-Akademie in norwegen sowie bei Richard Gwilt in London. Er war Artist in Residence bei Festivals für Alte Musik, Klassische Musik, Folkmusik und Jazz- bzw. Experimentalmusik und wirkte bei zahlreichen Einspielungen mit. Er lehrt Barockvioline an der norwegischen Musikakademie und ist Gastdozent am Königlich Dänischen Musikkonservatorium. zum Programm: Folgender Text entstammt dem Booklet zur CD „The Playhouse Sessions“mit Barokksolistene (Label: Rubicon, 2022) Historischer Kontext Das London des 17. Jahrhunderts unter Oliver Cromwell mit seinem puritanischen Bestreben, jegliche Kreativität einzudämmen, Musik zu verbieten, Theater zu schließen, denAlkoholkonsum einzuschränken und Weiteres mehr, bot einen wunderbaren Hintergrund für das Barokksolistene-Projekt The Alehouse Sessions. Es war eine regelrechte Offenbarung für mich zu sehen, wie Musik in diesen ‚Sessions‘, mit ihren Melodien und Geschichten, in Gesang und Tanz überlebt hat. Die arbeitslosen Hofmusiker, die sich in den vielen öffentlichen Kneipen Londons unter die lokale Bevölkerung mischten, schufen eine gewaltige Menge an wunderbarer Musik. Verbot und Zensur trotzend erhielt sich die Kreativität – durch das kreative Schaffen kreativer Menschen. So entwickelten sich neue Musikgattungen, Mischformen aus traditioneller (Volks-) und komponierter (Kunst-) Musik, mit Kanons (den Trinkliedern ‚seriöser‘ Komponisten) und anzüglichen Balladen, die Musik zum Zwecke politischer Satire einsetzten. Die Pubs entwickelten sich so zu echten Freiräumen für Künstler wie auch für das Publikum. In der Restauration, die auf Cromwells Commonwealth folgte, gierte das Publikum so sehr nach Kunst, dass die Theater gar nicht schnell genug gebaut werden konnten. Aber nach Jahren erbitterter politischer Auseinandersetzungen und des Bürgerkriegs hatte Charles II., der nun auf dem Thron saß, nur sehr begrenzte Mittel für die Kultur zur Verfügung, so dass die Pubs als Zentrum für musikalische unterhaltung weiter florierten. Einige Tavernen und Gasthäuser, solche mit etwas mehr Platz als in den typischen kleineren Bierstuben, verwandelten ihre Hinterzimmer zu Konzerträumen. Bald schon folgten der Verkauf von Eintrittskarten und Abonnements, was den Weg für die ersten öffentlichen Konzertsäle ebnete. Einige Kneipen gingen sogar noch weiter und richteten kleine Theater mit Reihenbestuhlung ein. Auf diesen Bühnen wurde eine Mischung aus Theaterstücken, Musik, Tanz, Oper und Schabernack in Form von Masques, Pantomimen usw. aufgeführt. Diese Vorführungen waren vermutlich eng mit den sog. ‚Stage Jigs‘ verwandt, einer Form kurzer komischer Dramen, die in den frühen elisabethanischen Theatern des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts im Anschluss an längere Bühnenstücke aufgeführt wurden. Diese theatralischen Jigs, auch bekannt als ‚elisabethanische Jigs‘, enthielten etwa Lieder, die zu populären Melodien gesungen wurden, aber auch Tanz, Bühnenkämpfe, Crossdressing, Maskierungen und Elemente der Pantomime. Die Handlung der Jigs stammte aus Volksmärchen, Schwankbüchern und italienischen novellen und war oft derb, manchmal satirisch, aber immer mit einem Schwerpunkt auf Tanz und Slapstick. Diese gesungenen Dramen oder Dramolette wurden von einer Reihe traditioneller Charaktere und Gaukler bevölkert wie etwa Bauerntölpeln, narren, Dirnen und dergleichen. Diese Form der Jigs wurde durch Künstler wie Richard Tarlton (gestorben 1588) und Will Kemp (um 1560–1603) enorm populär. Obwohl sie 1612 verboten wurde, war der Ruf nach dieser beliebten leichten unterhaltung nicht zu unterdrücken, und eine der berühmtesten Melodien in John Playfords English Dancing Master aus dem Jahr 1651, die in den Tavernen und Bierstuben häufig gespielt und getanzt wurde, trägt den namen Kemps Jig. So kam es in den Hinterzimmern der Kneipen zur glücklichen Verbindung von Shakespeare, Commedia dell’Arte und Gauklerei mit Musik von Purcell, Volks- und Seemannsliedern. nach Jahrzehnten, die vom Elend bürgerlicher unruhen, der Pest und schließlich dem Verbot von allem, was auch nur im Entferntesten lustig oder angenehm geprägt war, war das Publikum hungrig nach unterhaltung – sie waren bereit für eine echte Party! Die rolle ausübender MusikerInnen auf der Bühne heute Seit Jahren habe ich großes Interesse daran zu erkunden, was es bedeutet, ein ausübender Musiker zu sein, auf einer Bühne zu stehen. Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich eine Geige in der Hand Bjarte Eike, Leitung & Violine Foto: Theresa Pewal Konzert 12 79

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