Tage Alter Musik – Programmheft 2023

TAGE ALTER MuSIK REGEnSBuRG Konzert 6 kalische Erziehung von Ferdinands Kindern war er ebenfalls zuständig. Mehrere seiner Sammlungen, für deren Drucklegung er immer wieder nach Venedig reiste, sind Ferdinand und Personen aus dem Habsburger umfeld gewidmet und lassen eine politisch motivierte Publikationsstrategie vermuten. Was Christoph Strauß mit seinen nachfolgern Priuli und Valentini verbindet, ist die Tatsache, dass auch er Organist war. Dass nun Instrumentalisten – und nicht Sänger, wie dies bei den Frankoflamen noch der Fall gewesen war – die Leitung der Hofkapelle innehatten, zeigt die wachsende Bedeutung der Instrumentalmusik, die sich natürlich eindrucksvoll in deren Œuvre niederschlägt. Dabei setzten die Komponisten auf Kontrastwirkung (qua Besetzung, Textur, Register usw.) und verwendeten nicht selten eine von der venezianischen Mehrchörigkeit abgeleitete Kombination unterschiedlicher Klanggruppen. So alternieren in Priulis O quam dulcis zwei überwiegend homophon gestaltete Chöre in relativ kurzen Abständen. nach einer Passage im Dreiermetrum am Ende der prima pars baut Priuli unter Verwendung allmählich kürzerer werdender notenwerte mit Synkopen gespickte imitative Abschnitte ein, die im abschließenden Alleluia gipfeln. Valentini wiederum erreicht in seinem expressiven O vos omnes für fünf Stimmen und Basso continuo die Kontrastwirkung auf andere Art und Weise: Während die jeweils zwei Canto- und Tenore-Stimmen die von Verzweiflung geprägten Verse „O vos omnes qui transitis per viam, attendite, et videte si est dolor similis sicut dolor meus“ aus den Klageliedern Jeremias vortragen, lässt er den Alto in räumlicher Entfernung zu den anderen Stimmen aufstellen und quasi refrainartig die hoffnungsvolle, dreifache Anrufung „O dulcis amor Iesu, o caelestis amor, o grandis amor“ singen. Während Strauß in seinem 1613 gedruckten Eripe me noch auf eine recht konventionell-polyphone Anlage setzt, ist der Einfluss des Wiener umfelds, knapp 20 Jahre später, in seiner 1631 als Teil einer Kaiser Ferdinand II. gewidmeten Sammlung erschienenen Missa pro defunctis unverkennbar. In dieser „missa concertata“ für jeweils zehn Streichinstrumente und Stimmen plus Generalbass erreicht der Komponist unter anderem dadurch eine Kontrastwirkung, dass die Textur und das Register oft auf engstem Raum wechseln und mehrere Motive gleichzeitig kombiniert werden; akkordische Passagen werden meistens zur Hervorhebung wichtiger Textstellen verwendet, wie etwa für den Imperativ „exaudi“ (im Introitus), das „nil in ultum remanebit“ (in der Sequenz Dies irae) oder für die das Licht (und somit die Hoffnung) markierenden Stellen „in lucem sanctam“ (im Offertorium) und das – die Inspiration für den Titel des Konzerts liefernde – „luceat eis Domine“ am Anfang der Communio. Darüber hinaus schafft Strauß auch unterschiede qua Dynamik und Klangfarbe, indem er präzise notiert, wann die Instrumente gemeinsam mit den Stimmen zu spielen haben oder aussetzen sollen. Was Claudio Monteverdi betrifft, so erklären sich seine Verbindungen zumWiener Kaiserhof vor allem durch Ferdinands Ehe mit Eleonora Gonzaga. Monteverdi, der seine erste feste Anstellung amMantuaner Hof erhielt, sollte auch nach seinem Wechsel an den Markusdom in Venedig bis zum Ende seines Lebens den Kontakt mit den Gonzagas aufrechterhalten. Ein klares Zeichen dafür liefert die Sammlung Selva morale e spirituale (1640–1641), die er wenige Jahre vor seinem Tod Eleonora Gonzaga widmete. Mit seiner Vielfalt an Stilen kann der Druck, aus dem das groß angelegte Magnificat primo „à 8 voci & due violini & quattro viole overo quattro trombone“ (achten Sie auf die insbesondere durch die Madrigali guerrieri et amorosi geprägte Verwendung des stile concitato beim wiederholt vorkommenden „fecit potentiam“) und eine Vertonung des Psalms Laudate Dominum omnes gentes zu hören sind, gleichermaßen als Synthese und Höhepunkt von Monteverdis geistlichem Schaffen gesehen werden. Dass der Kaiserhof nur ein – wenn auch sehr bedeutendes und einflussreiches – Beispiel für die Italianisierung der Musik im deutschsprachigen Raum darstellt, mögen abschließend noch einige weitere im Programm vertretene Komponisten und ihre Werke zeigen. So thematisiert Heinrich Schütz (1585–1672) in gleich mehreren Sammlungen selbstbewusst die Auswirkungen seiner venezianischen Aufenthalte. In der Widmung (an den sächsischen Kronprinzen Johann Georg, den zukünftigen Kurfürsten Johann Georg II. [1613–1680]) zum ersten Band der 1629 in la Serenissima gedruckten Symphoniae Sacrae charakterisiert er die neueArt zu komponieren als den Versuch, „modernem Geschmack durch einen neuartigen Kitzel zu gefallen“. Er arbeitet dazu mit einem abwechslungsreichen Instrumentarium, was unter anderem aus der Hoheliedvertonung In lectulo meo – für Sopran und Alt, drei Gamben oder Fagotte und Basso continuo – hervorgeht. Die Brüder Gioseffo (1542–1611) und Francesco (1543–1602) Guami fanden nach ihrer Ausbildung an San Marco in Venedig eine Anstellung am Hof des bayerischen Herzogs Albrechts V. – Gioseffo, der 1568 von keinem Geringeren als Orlando di Lasso (um 1532–1594) angeworben wurde, als Organist und capo dei concerti, Francesco als Posaunist. Von Letzterem hören wir ein das Konzert behutsam eröffnendes zweistimmiges Ricercar, von Gioseffo Guami eine prachtvolle, doppelchörig angelegte instrumentale Canzona. Auch Johann Stadlmayer (um 1575–1648), der ab 1608 als Kapellmeister am Innsbrucker Hof von Erzherzog Maximilian III. (1558–1618) und (mit einer unterbrechung) auch unter dessen nachfolger Leopold V. (1586–1632) diente, kann ein sehr abwechslungsreiches, von verschiedenen Facetten des stile moderno beeinflusstes Œuvre vorweisen. nicht zuletzt sein 1645 gedruckter Apparatus musicus – ein Kompendium unterschiedlich besetzter Werke – liefert dafür einen eindrucksvollen Beweis. Autorin: Katelijne Schiltz, Universität Regensburg CD: Oltremontano Antwerpen – Paradisi Porte CD: Pluto-Ensemble & Hathor Consort – John Coprario: Transkriptionen italienischer Madrigale 43

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